PARANA BOMFIM: Voz dos Tambores / Stimme der Trommeln

zeitgenössische afrobrasilianische Perkussion

Merly Donoso, Dietrich Kollöffel, Armando Chuh, José Luiz Silva

Mit Voz dos Tambores setzt Parana Bomfim ein vor zwanzig Jahren in seiner Heimatstadt São Paulo initiiertes Projekt fort, dessen Ziel es ist, die Dimension der Trommel von ihrer rituellen Kraft über ihre Verwendung in der traditionellen Musik bis zu ihren Möglichkeiten in avantgardistischen Stücken aufzuzeigen.
Die Uraufführung 1983 war nicht nur das erste Perkussionskonzert im renommierten Museum für Moderne Kunst São Paulos, sondern das erste dieser Art überhaupt, galten Trommeln doch allenfalls als Teil einer „primitiven“ Straßenkultur, deren afrikanische Wurzeln die „weiße“ Oberschicht nur zu gerne leugnete oder stigmatisierte. Im Umkreis junger Musiker aus der Mittelschicht war Parana Bomfim der einzige, der afrobrasilianische Musiktraditionen und das Wissen um ihre Herkunft mit modernen und avantgardistischen Elementen zu verbinden wusste.
Die Demokratisierung des Landes und die Schwarzenbewegung haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer Aufwertung der afrobrasilianischen Kultur geführt, auch wenn der Rassismus weiterhin zum Alltag gehört. Samba, Karneval und Perkussionsgruppen aus Salvador da Bahia bestimmen heute ganz wesentlich das Bild Brasiliens in Europa und haben sich zu Exportschlagern entwickelt. Doch die große Masse des Booms ist Afro-Pop, der sich der Exotik der Traditionen bedient, ohne diese zu kennen, und sich wenig um neue künstlerische Ausdrucksformen bemüht. Dies vermittelt in Deutschland nicht nur ein verzerrtes und reduziertes Bild der afrobrasilianischen Kultur, sondern verstärkt auch die Vorstellung, dass Trommeln an traditionell-folkloristische Ausdrucksformen gebunden seien.
Daher besann sich Parana Bomfim seines Projektes Voz dos Tambores, das einzigartig und innovativ blieb, und beschloss, es in seiner Wahlheimat Berlin neu zu gestalten, wieder mit dem Ziel, Traditionen zu vermitteln und gleichzeitig weit über sie hinauszugreifen.
Prinzipien und Formen der afrobrasilianischen Mythologie werden in ihrer Essenz erfasst und in eine musikalische Sprache übersetzt, die sich akustischen Trommeln und kleinen Perkussionsinstrumenten ebenso bedient wie elektronischen Drumpads. Jede Komposition erzählt eine Geschichte, die auf eine Reise führt, die von beseelten Naturelementen (Voz dos Deuses) über die Kraft der Maschine (Máquina) bis zum Kampf der Erde gegen ihre Zerstörung reicht (Civilização).
Voz dos Tambores ist eine sehr brasilianische und gleichzeitig eine sehr universale Reise, denn im Zusammenspiel von Komposition, Aufführung, Licht und Bühnenbild vermag die Musik Zuhörer aller Kulturen einzutauchen in Kräfte und Ahnungen, die neue Sichtweisen auf unsere Umwelt, unsere Spiritualität und uns selbst eröffnen. Neben einer Vielzahl von Perkussionsinstrumenten finden auch eine Reihe von Gebrauchsgegenständen als Instrumente Einsatz und verwandeln die Bühne in eine Art künstlerische Installation, die die Bedeutung der verschiedenen Naturelemente unterstreicht.
Die Premiere fand am 7. Mai in der Berliner Werkstatt der Kulturen statt, deren Selbstverständnis dem Projekt adäquat ist: das Bestreben, den Dialog zwischen allen Kulturen zu fördern, indem jede einzelne gefestigt wird, und herrschende Klischees zu hinterfragen.
 
 

Voz dos Tambores, Konzeption

Die Kompositionsgruppen Voz dos Deuses (Stimme der Götter) I und II arbeiten mit den Elementen, die den einzelnen orixás, den afrobrasilianischen Göttern, zugeordnet sind. Dabei handelt es sich nicht um die Imitation eines religiösen Rituals, sondern eine zeitgenössische Interpretation, die die Integrität der Religion wahrt und trotzdem, oder gerade deshalb in der Lage ist, deren spirituelle Essenz und universelle Dimension Zuhören aller Kulturen zu vermitteln.
Die orixás werden nicht durch die ihnen in der Religion zugeordneten Rhythmen präsentiert, sondern durch eine Performierung der Elemente, die sie beherrschen. Eine Komposition auf unterschiedlichsten Instrumenten und Gebrauchsgegenständen (von Schaufeln, Hacken, Autofelgen, Amboss, u.a.) steht beispielsweise für die Essenz des Gottes Ogun, des Gottes des Kriegs und des Metalls. Wasserklänge stehen für Iemanjá, die Göttin des Meeres und Donner, Blitz und Wind erfüllen die Bühne in der Komposition für Xangô. Die Avassa-Rhythmen, die die Teile Voz dos Deuses I und II jeweils beenden, sind als 15/8-Rhythmen traditionell, hier jedoch werden sie als 15/8 bzw. 21/8-Rhythmen gespielt.
Ohne die Gaben der Natur, ohne Kräuter, Blätter, sauberes Wasser und Kontakt zur Erde ist die Ausübung der afrobrasilianischen Religion Candomblé nicht möglich, Schöpfung und Götter sind untrennbar, weshalb die Wahrung dieser Natur unerlässlich ist.
Darum ist die zweite Botschaft von Voz dos Tambores die Anklage von Umweltzerstörung und Krieg. Die Stücke Máquina und besonders Civiliçazão erzählen auf eindringliche und aufrüttelnde Weise von unserer Welt (elektroakustische Komposition), rufen aber trotz aller Beklemmung zum Widerstand auf.
 
 
Gefördert durch
und mit freundlicher Unterstützung von:

Werkstatt der Kulturen, Berlin
Itamarati und Brasilianischer Botschaft Berlin
pulsepercussion – Musikinstrumente aus allen Welten
Lehrstuhl für Brasilianistik am Lateinamerika-Institut, FU Berlin
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